Wissenschaftsrat

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Förderprogramme empfohlen | Wissenschaftsrat plädiert für weitere Stärkung der Friedens- und Konfliktforschung

Ausgabe 16 | 2019
Datum 15.07.2019

Mit einem zeitlich befristeten Förderprogramm des Bundes soll die überregionale Zusammenarbeit der Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland maßgeblich gestärkt werden. Dafür spricht sich der Wissenschaftsrat in seinen jüngst verabschiedeten Empfehlungen aus.

Zwar sieht er das interdisziplinäre Forschungsfeld, das sich mit Ursachen und Folgen von gewaltsamen Konflikten und mit der dauerhaften Stabilisierung von Frieden befasst, insgesamt sehr gut aufgestellt. Durch eine bessere Vernetzung innerhalb des Forschungsfeldes und mit angrenzenden Disziplinen ließe sich das große Potenzial in Forschung und Politikberatung allerdings noch besser ausschöpfen und die internationale Sichtbarkeit weiter erhöhen. „Diese Vernetzung kann die Friedens- und Konfliktforschung mit ihren oft sehr kleinen, breit über das Bundesgebiet verteilten Standorten nicht aus eigener Kraft erreichen“, so Martina Brockmeier, Vorsitzende des Wissenschaftsrats. „Der Bund, der die Beratungsleistungen dieses Forschungsfelds intensiv in Anspruch nimmt, sollte hierbei mit einer zeitlich befristeten Fördermaßnahme unterstützend tätig werden.“ Aber auch die Länder nimmt der Wissenschaftsrat in die Pflicht. Sie sind aufgerufen zu prüfen, ob sie regionale Kooperationen der Friedens- und Konfliktforschung durch komplementäre Programme weiter stärken können.

Die Friedens- und Konfliktforschung steht seit ihren Anfängen zu Beginn der 1970er Jahre in engem Austausch mit der Politik und berät vor allem mehrere Bundesministerien intensiv. Lange Zeit galt sie als verlängerter Arm der Friedensbewegung und stand unter Ideologieverdacht. „Dieser Vorwurf ist heute nicht mehr haltbar“, wie Brockmeier betont. „Die Friedens- und Konfliktforschung ist inzwischen eine empirisch-analytische Wissenschaft, die zu Recht großen Wert auf parteipolitische Neutralität und politische Unabhängigkeit legt.“ Als wichtigen Ausdruck dieser Entwicklung begrüßt der Wissenschaftsrat die Annäherung an die sicherheitspolitische Forschung.

Insgesamt bescheinigt er der deutschen Friedens- und Konfliktforschung, mit großem Weitblick und der erforderlichen Flexibilität politisch wie gesellschaftlich relevante Themen zu bearbeiten. Die Ergebnisse dieser Forschung werden breit publiziert und stoßen teilweise auch international auf große Aufmerksamkeit. Diese ließe sich nach Einschätzung des Wissenschaftsrats allerdings noch weiter erhöhen, wenn sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler standortübergreifend auf gemeinsame Forschungsstrategien verständigen und zentrale Themen gemeinsam bearbeiten würden. Hier sieht er auch die Forschenden selbst in der Pflicht.

Das Vorbild für eine erfolgreiche überregionale Zusammenarbeit liefert die Friedens- und Konfliktforschung selbst: In der Lehre stimmen sich die derzeit sieben Masterstudiengänge dieses Forschungsfelds an sechs deutschen Universitäten eng miteinander ab und bieten internetgestützt auch regelmäßig gemeinsame Vorlesungen an. Diese Studiengänge sind stark nachgefragt und weisen eine überdurchschnittliche Anzahl ausländischer Studierender auf, wie der Wissenschaftsrat positiv hervorhebt. Zugleich ermuntert er das Forschungsfeld, sich auch auf den folgenden wissenschaftlichen Qualifikationsstufen um eine internationaler ausgerichtete Personalpolitik zu bemühen.

Ungeachtet dieser Verbesserungsmöglichkeiten sieht der Wissenschaftsrat die Friedens- und Konfliktforschung in ihrem politik- und sozialwissenschaftlichen Kern sehr gut für die anstehenden Herausforderungen gewappnet. Dies gilt allerdings weniger für die naturwissenschaftlich-technische Friedensforschung, in der Deutschland früher international führend war und deren strukturelle Situation inzwischen prekär geworden ist. „Angesichts der Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufs und neuer technologischer Entwicklungen, die gerade im Cyberraum die Grenzen zwischen zivil und militärisch zunehmend aufheben, ist naturwissenschaftlich-technische Forschung und Politikberatung zwingend erforderlich. Deutschland braucht diese Expertise, um international überzeugend für Abrüstung und Rüstungskontrolle wirken zu können und um Strategien für den Umgang mit neuen Technologien zu entwickeln“, unterstreicht Brockmeier. Daher begrüßt der Wissenschaftsrat, dass insbesondere das Auswärtige Amt in jüngster Zeit die Initiative ergriffen hat, um die entsprechende Forschung wieder zu stärken. Um die notwendige naturwissenschaftlich-technische Forschung und Expertise dauerhaft in Deutschland vorzuhalten, hält er allerdings den institutionellen Auf- und Ausbau dieses Teilgebiets der Friedens- und Konfliktforschung an mindestens zwei Standorten für unverzichtbar und empfiehlt Bund und Ländern, hier aktiv zu werden. Zudem fordert er die in jüngerer Zeit neu etablierten Forschungseinrichtungen zur Cybersicherheit auf, vermehrt Fragen der Friedens- und Konfliktforschung zu berücksichtigen.

Handlungsbedarf sieht er schließlich auch im Hinblick auf die Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF). Diese im Jahr 2000 von der Bundesregierung gegründete Fördereinrichtung hat vor allem die Verankerung der Friedens- und Konfliktforschung an deutschen Universitäten erfolgreich unterstützt und fördert kleinere Forschungsprojekte, die oftmals den Grundstock für anschließende größere Vorhaben bilden. Da diese Förderung des Forschungsfelds bislang nahezu ausschließlich aus den Erträgen des Stiftungskapitals (rund 27 Millionen Euro) erfolgt, engt die anhaltende Niedrigzinsphase den Handlungsspielraum der DSF spürbar ein. Der Wissenschaftsrat appelliert daher an die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag, die finanzielle Ausstattung der DSF rasch merklich zu verbessern. Um die unabdingbare politische Unabhängigkeit zu gewährleisten und die Arbeitsfähigkeit der Stiftung langfristig zu sichern, spricht er sich für eine angemessene Aufstockung des Stiftungskapitals aus.