Wissenschaftsrat

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#30JahreVereintForschen | Drei Generationen ziehen Bilanz

Allianz-Kampagne zur Transformation des Wissenschaftssystems nach der deutschen Wiedervereinigung | Wissenschaftsrat beteiligt sich mit drei Video-Statements

Ausgabe 31 | 2020
Datum 30.11.2020

Mit der Wiedervereinigung vor 30 Jahren entstand auch eine gemeinsame Wissenschaftslandschaft von Ost- und Westdeutschland. Das hat die Allianz der Wissenschaftsorganisationen zum Anlass genommen, in der Social Media-Aktion #30JahreVereintForschen auf diese Zeit zurück zu blicken.

Wie erlebten (angehende) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wendezeit 1989/90? Welche Transformationsprozesse der DDR-Wissenschaftslandschaft fanden damals statt? Welche Rolle spielte der Wissenschaftsrat im damaligen Evaluationsprozess? Welche Bilanz lässt sich heute – 30 Jahre später – ziehen? Im Rahmen der gemeinsamen Social Media-Kampagne der großen deutschen Wissenschaftsorganisationen lässt der Wissenschaftsrat diese und weitere Fragen von zwei Wissenschaftlerinnen und einem Wissenschaftler, die verschiedenen Generationen angehören, aus ihrer ganz persönlichen Sicht beantworten:

„Die systematische Bewertung der DDR-Forschungseinrichtungen durch den Wissenschaftsrat zur Wendezeit war ein großer Erfolg. Allerdings wurde damals verpasst, das deutsche Wissenschaftssystem grundsätzlich zu reformieren“, reflektiert Dagmar Schipanski in ihrem Beitrag die damaligen Ereignisse. Schipanski, zur Zeit der Wende Professorin für Elektrotechnik an der TU Ilmenau, später Vorsitzende des Wissenschaftsrats (1996 bis 1998) und anschließend Wissenschaftsministerin in Thüringen (1999 bis 2004), blickt in ihrem Video-Statement für den Wissenschaftsrat auf den Evaluationsprozess der DDR-Wissenschaftslandschaft und seine Effekte zurück.

Ebenfalls mit Statements für den Wissenschaftsrat in der aktuellen Kampagne vertreten sind Dorothea Wagner, derzeit Vorsitzende des wissenschaftspolitischen Beratungsgremiums von Bund und Ländern und Professorin für Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), und Steffen Mau, Professor für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er gehörte von 2012 bis 2018 zu den Mitgliedern des Wissenschaftsrats. Während Wagner, zur Zeit der Wende als Nachwuchswissenschaftlerin an der TU Berlin beschäftigt, ihre Sicht auf Karriereverläufe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Ost- und Westdeutschland äußert, geht Mau, der ab Herbst 1990 an der Humboldt-Universität studierte, auf Erfolge und Spätfolgen der Transformation des Wissenschaftssystems ein.

Ähnlich wie Schipanski bewertet er diese als grundsätzlich erfolgreich, konstatiert aber auch: „Man hätte stärker hinterfragen können, was zur Wendezeit auch an westdeutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen weniger gut lief.“ Mau, der in seinem 2019 erschienenen Buch „Lütten Klein“ über seine Erfahrungen im gleichnamigen Plattenbau-Viertel in Rostock ausführlich seine Eindrücke einer „ostdeutschen Transformationsgesellschaft“ schildert, spricht im Video-Statement nicht nur über inneruniversitäre, damals miterlebte Reformprozesse: „Westdeutsche Professorinnen und Professoren brachten häufig ihre ganze Entourage an ostdeutsche Hochschulen mit – damit war eine eigenständige Elitenbildung im Wissenschaftsbereich in Ostdeutschland nicht so stark möglich.“

Wagner erinnert sich, dass die meisten ostdeutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihres Fachgebiets in den Jahren nach der Wende die Chance der Öffnung zu nutzen wussten und sich, ebenso wie sie selbst zu dieser Zeit, bundesweit auf Professuren bewarben. Bei der Rekrutierung sei daher einiges „durcheinandergewirbelt und durchmischt“ worden. Sie ist überzeugt, dass heute von einem erfolgreich zusammengewachsenen gesamtdeutschen Wissenschaftssystem gesprochen werden könne. Wagner sagt aber auch: „Manche Personen aus dem akademischen System der DDR sind dabei auf der Strecke geblieben.“

Zu den Video-Statements auf dem YouTube-Kanal des Wissenschaftsrats


Zur Rolle des Wissenschaftsrats nach der Wiedervereinigung

Der Wissenschaftsrat hatte nach der Wiedervereinigung zwei maßgebliche Aufgaben: Er evaluierte die außeruniversitären Forschungseinrichtungen der ehemaligen DDR und verabschiedete Empfehlungen zur Neustrukturierung der Hochschullandschaft.

1990 erarbeitete der Wissenschaftsrat „Zwölf Empfehlungen“ zu den „Perspektiven für Wissenschaft und Forschung auf dem Weg zur deutschen Einheit“. Zusammen mit dem Einigungsvertrag bildeten diese die Grundlage für das weitere Vorgehen des Wissenschaftsrats. Auftrag des wissenschaftspolitischen Beratungsgremiums von Bund und Ländern war es daraufhin, die öffentlich getragenen Einrichtungen von Wissenschaft und Forschung zu evaluieren. Damit waren vor allem die Institute der Akademie der Wissenschaften gemeint, die als die maßgebliche Trägereinrichtung der universitären Forschung im Wissenschaftssystem der DDR fungierte. In der Folge wurden relevante Teile in neue Einrichtungen überführt (vor allem in die sog. „Blaue Liste“, heute Leibniz-Gemeinschaft). An dem Evaluationsprozess waren über 500 Gutachterinnen und Gutachter beteiligt, die über 130 Institute besuchten und ihre Empfehlungen auf über 1.700 Seiten zusammenfassten. Ein Großteil der Stellungnahmen wurde bereits im Sommer 1991 verabschiedet. Die Empfehlungen deckten ein großes fachliches Spektrum ab und fanden breite Akzeptanz, auch bei den Begutachteten.

Die zweite Aufgabe, Empfehlungen zur Neustrukturierung der Hochschullandschaft zu geben, wurde in zahlreichen Stellungnahmen umgesetzt (z. B.1993 in den „10 Thesen zur Hochschulpolitik“). Die Etablierung von Fachhochschulen in Ostdeutschland und einzelne Neugründungen gehen maßgeblich auf Empfehlungen des Wissenschaftsrats zurück.