Wissenschaftsrat bewertet vier Anträge zur Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft und zur Erweiterung von Leibniz-Instituten
Von „exzellent“ bis „nicht hinreichend“
Ausgabe 03 | 2021
Datum 25.01.2021
Mit der Bestnote „exzellent“ bewertet der Wissenschaftsrat das Regensburger Centrum für Interventionelle Immunologie (RCI). „Das RCI ist sowohl in der Forschung als auch im Transfer seiner Erkenntnisse in die Praxis äußerst leistungsstark“, so die Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Dorothea Wagner. „Für die Leibniz-Gemeinschaft wäre das RCI ein großer Gewinn.“ Ebenfalls überzeugt haben den Wissenschaftsrat zwei Anträge zum Auf- bzw. Ausbau von Forschungsdateninfrastrukturen, die GESIS | Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, Mannheim und Köln, sowie das DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, Frankfurt/Main und Berlin, gestellt haben. In beiden insgesamt als „sehr gut“ bewerteten Anträgen sieht er großes Potenzial zur Stärkung der sozial- und bildungswissenschaftlichen Forschung in Deutschland und darüber hinaus.
Für „nicht hinreichend“ hält er hingegen den Erweiterungsantrag des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM) in Freising. „Dieses Institut hat sich noch nicht ganz von seiner schwierigen Vorgeschichte erholt, die durch ein Insolvenzverfahren und mehrfache Leitungswechsel geprägt war. Zwar weist die vorgesehene Neuausrichtung in die richtige Richtung und die neue Institutsleitung hat vielversprechende Maßnahmen ergriffen, um die Leistungsfähigkeit des Leibniz-LSB@TUM wieder zu verbessern. Allerdings kam der Erweiterungsantrag zu früh, um bereits erkennen zu können, wie erfolgreich diese Maßnahmen sein werden“, erläutert Wagner. Die Entscheidung über die Aufnahme des RCI und die Bewilligung der Erweiterungsanträge liegt nun bei der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK).
Zu den Stellungnahmen im Einzelnen:
Das Regensburger Centrum für Interventionelle Immunologie (RCI) entwickelt moderne Zelltherapeutika gegen Volkskrankheiten wie Krebs, Autoimmunerkrankungen und chronische Entzündungen. Dabei bearbeitet es mit großem Erfolg die gesamte Spanne von der Grundlagenforschung bis hin zur Entwicklung von Medikamenten. Der Wissenschaftsrat bescheinigt dem RCI, mit einem überzeugenden Forschungskonzept sowie einem hervorragenden Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen wichtigen Beitrag zu leisten, um das Leben vieler Menschen zu verlängern und ihre Gesundheit zu fördern. Das RCI wurde 2010 als zentrale Einrichtung der Universität Regensburg gegründet und 2018 als außeruniversitäres Forschungsinstitut verselbständigt. In der kurzen Zeit seines Bestehens hat es auf wissenschaftlichem Gebiet bereits internationale Sichtbarkeit erreicht und zahlreiche Patente für seine Entwicklungen erhalten. Mit seiner Bewertung als „exzellent“ unterstützt der Wissenschaftsrat den Antrag des RCI auf Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft mit großem Nachdruck.
Hintergrundinformation zum Regensburger Centrum für Interventionelle Immunologie (RCI) (25. Januar 2021)
Der Erweiterungsantrag von GESIS | Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften zielt auf den Aufbau einer zentralen Forschungsinfrastruktur für die langfristige Beobachtung digitalen Verhaltens. „Die wegweisende Ergänzung der bislang von GESIS erhobenen und bereitgestellten Umfragedaten um digitale Verhaltensdaten kann einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Wandels der Gesellschaft leisten“, betont Wagner. „Das Vorhaben erlaubt es Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, sowohl die Auswirkungen der Digitalisierung großflächig zu erforschen als auch traditionelle sozialwissenschaftliche Forschungsfragen mit innovativen Methoden neu zu bearbeiten.“ GESIS verfügt nach Einschätzung des Wissenschaftsrats bereits über große Expertise im Aufbau und Betrieb von Forschungsinfrastrukturen und ist hervorragend mit den sozialwissenschaftlichen Fachgemeinschaften vernetzt. Damit erfüllt GESIS wesentliche Voraussetzungen für einen Erfolg des Vorhabens.
Hintergrundinformation zum GESIS | Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (25. Januar 2021)
Im Zentrum des Erweiterungsantrags des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation steht mit dem „Verbund Forschungsdaten Bildung (VerbundFDB)“ ebenfalls eine Forschungsinfrastruktur. Der seit 2013 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als Projekt geförderte VerbundFDB, an dem neben dem DIPF auch GESIS und das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) beteiligt sind, dokumentiert Studien der empirischen Bildungsforschung und macht sie über eine zentrale Recherchemöglichkeit zugänglich. Forschungsdaten, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem gesamten Bundesgebiet an den VerbundFDB übermitteln, werden in einem Netz von Datenzentren archiviert und zur Nutzung bereitgestellt. Auf diese Weise ist eine Forschungsinfrastruktur entstanden, die nach Einschätzung des Wissenschaftsrats für die Weiterentwicklung der empirischen Bildungsforschung von großer Bedeutung ist. Mit dem Erweiterungsantrag soll die dauerhafte Finanzierung des VerbundFDB sichergestellt und sein Ausbau ermöglicht werden. Der Wissenschaftsrat unterstützt das Vorhaben, weitere Institute und Datenzentren in den VerbundFDB einzubeziehen, das Datenangebot deutlich zu vergrößern und über die Bildungsforschung hinaus auch die Daten weiterer Disziplinen bereitzustellen. „Mit dem geplanten Ausbau würde sich die Reichweite dieser wichtigen Forschungsinfrastruktur deutlich erhöhen. Davon würde nicht nur die Forschung, sondern auch die wissenschaftsgestützte Beratung von Politik und Gesellschaft im Bildungsbereich sehr profitieren“, resümiert Wagner.
Hintergrundinformation zum DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (25. Januar 2021)
Der Erweiterungsantrag des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM) zielt auf eine Neuausrichtung des Instituts, das auf die Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA) zurückgeht. Dabei soll mit der Systembiologie ein noch junger Forschungsansatz in die Lebensmittelforschung integriert werden, der experimentelle Methoden der Lebenswissenschaften mit mathematischen Modellierungen verbindet. Auf diese Weise soll das Verständnis der dynamischen Vorgänge biologischer Systeme verbessert werden. Von diesem Konzept der Neuausrichtung und der Konzentration auf Geruchs- und Geschmacksstoffe zeigt sich der Wissenschaftsrat grundsätzlich überzeugt. Er erkennt darin ebenso großes Potenzial für Wirtschaft und Gesellschaft wie auch für die wissenschaftliche Weiterentwicklung der Lebensmittelforschung und angrenzender Fächer. Allerdings sieht er am Leibniz-LSB@TUM zentrale Voraussetzungen für die Realisierung dieses Konzepts derzeit als noch nicht gegeben an. Zugleich würdigt er die dynamische Entwicklung, die dieses Institut unter seiner seit Ende 2019 amtierenden wissenschaftlichen Leitung durchläuft, und ermuntert das Leibniz-LSB@TUM, diesen Weg konsequent fortzusetzen.
Hintergrundinformation zum Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM) (25. Januar 2021)
Der Anstoß zu den vier Begutachtungsverfahren ging von der GWK aus. Sie hat den Wissenschaftsrat im Oktober 2019 gebeten, das RCI dahingehend zu begutachten, ob es den Anforderungen für eine Neuaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft genügt. Zudem sollte er zu den angestrebten strategischen Erweiterungen von GESIS, DIPF und Leibniz-LSB@TUM Stellung nehmen. Dafür waren in allen vier Fällen die wissenschaftliche Qualität der Einrichtung bzw. Erweiterungsmaßnahmen, ihre überregionale Bedeutung und ihre strukturelle Relevanz für das deutsche Wissenschaftssystem insgesamt zu überprüfen. Im Ergebnis sollten die vier Anträge priorisiert werden; hierfür stand dem Wissenschaftsrat eine Skala von „exzellent“ über „sehr gut“ und „gut“ bis „nicht hinreichend“ zur Verfügung. Für seine Empfehlungen waren überdies die jeweiligen Stellungnahmen der Leibniz-Gemeinschaft zu berücksichtigen, die aufgefordert war, den strategischen Nutzen der Einrichtung bzw. Erweiterungen für die Leibniz-Gemeinschaft und deren institutionelle Passfähigkeit zu beurteilen.