Wissenschaftsrat empfiehlt Weiterentwicklung der postgradualen Phase an Kunst- und Musikhochschulen
Bessere Bedingungen für große Talente
Ausgabe 08 | 2021
Datum 26.04.2021
Die deutschen Kunst- und Musikhochschulen bilden die Stars von morgen aus, sind in den Wissenschaften profiliert und erbringen wichtige Leistungen für den Kunst- und Kulturbetrieb. Auch nach dem eigentlichen Studienabschluss bieten sie ihren Absolventinnen und Absolventen Möglichkeiten zur künstlerischen und wissenschaftlichen Weiterentwicklung. Sie stehen dabei in einer Spannung zwischen bewährten Traditionen und vielfältigen, dynamischen Entwicklungen, die international geprägt sind und teils kontrovers diskutiert werden.
„Die Kultusministerkonferenz hat daher den Wissenschaftsrat um eine Bestandsaufnahme zur postgradualen Phase gebeten. Wir haben eruiert, wie man solche Angebote besser konturieren kann und trotzdem die für die Kunst so wichtigen Freiräume erhält“, erklärt Professorin Dorothea Wagner, Vorsitzende des Wissenschaftsrats.
Der Wissenschaftsrat geht bei seinen Empfehlungen von den Besonderheiten der Kunst- und Musikhochschulen und den Funktionen der postgradualen Phase aus. Diese Phase sollte nicht nur den Graduierten nutzen, sondern auch Künste und Wissenschaften sowie die Hochschulen voranbringen. „Zunächst einmal ist das Leistungsniveau einer Kunst- oder Musikhochschule nicht davon abhängig, ob sie auch eine postgraduale Studienphase anbietet. Wenn sie es tut, sollte es zu ihrem Profil passen und entsprechende Ressourcen dafür eingesetzt werden,“ so Wagner.
Denn eine postgraduale Phase braucht geeignete Strukturen: Räumlichkeiten und technische Ausstattung, genügend Zeit für das Lehrpersonal, Kapazitäten in der Verwaltung. Die Graduierten müssen ihre Qualifikationsvorhaben durchführen und in dieser Phase ihren Lebensunterhalt finanzieren können. Insbesondere in den Künsten sollte es mehr Stipendien und Stellen geben, die auf die postgraduale Phase zugeschnitten sind. Der Wissenschaftsrat appelliert an die Länder, die Kunst- und Musikhochschulen beim Aufbau solcher Strukturen zu unterstützen. Das ist ein Beitrag zur Stärkung des gesamten Kunst- und Kultursektors, der durch die Corona-Pandemie schwer getroffen wurde. Auch Stiftungen können Programme auflegen, um Personen in der postgradualen Phase zu fördern.
In der postgradualen Phase sollte es immer um ein konkretes Vorhaben oder eine konkrete Fragestellung gehen. In der Wissenschaft geschieht das in der Promotion, der Wissenschaftsrat sieht hier keinen Änderungsbedarf, empfiehlt aber mehr Kooperation, um ein gutes Forschungsumfeld für die oft nur wenigen Promovierenden zu schaffen. In der Musik kann das Konzertexamen in diese Richtung weiterentwickelt werden, auch durch die Stärkung reflexiver Anteile. In den Bildenden Künsten empfiehlt der Wissenschaftsrat, ein neues Format einzuführen, den „Laureat“. Der traditionelle „Meisterschüler“ kann als Ehrentitel beibehalten werden. Außerdem beschreiben die Empfehlungen einen „hybriden“ Bereich, wo Wissenschaft und Kunst eine neue Verbindung eingehen. Dieser wird im Moment durch wissenschaftlich-künstlerische Promotionen erprobt. Der Wissenschaftsrat empfiehlt den Ländern einen einheitlichen Abschlussgrad für solche Vorhaben. Das könnte z. B. der „Dr. artis“ oder der „Ph.D. in Arts“ sein.
Auch die Zeit nach der postgradualen Phase kann stärker für strukturierte Karrierewege hin zur künstlerischen Professur genutzt werden. Dadurch könnten Künstlerinnen und Künstler, die für eine solche Position infrage kommen, schon früher einschlägige Erfahrungen in Lehre und akademischer Selbstverwaltung machen. Trotzdem sollte weiterhin künstlerischer Erfolg das entscheidende Kriterium für künstlerische Professuren bleiben.