Neue Universität mit Modellcharakter: Zum Gründungskonzept der Technischen Universität Nürnberg
Ausgabe 02 | 2020
Datum 03.02.2020
Mit der Neugründung der Technischen Universität (TU) Nürnberg will das Land Bayern eine Hochschule mit Modellcharakter entwickeln. Der Wissenschaftsrat hat nun zu dem Gründungskonzept Stellung genommen. Eine wissenschaftspolitische Bewertung der Gründungsentscheidung, an der er nicht beteiligt war, ist damit nicht verbunden.
Die TU Nürnberg soll auf mehreren Ebenen neue Wege beschreiten: in der Forschung, in Studium und Lehre, in der Organisationsstruktur und in der internationalen Ausrichtung. Davon sollen sowohl die Studierenden und das Personal in Lehre, Forschung und Verwaltung als auch die Region profitieren. Mittelfristig soll die Universität 5.000 bis 6.000 Studienplätze bereitstellen und mit 200 bis 240 Professuren ausgestattet werden. Die Betreuungsrelation soll bei 25 bis 30 Studierenden pro Professur liegen.
„Das Gründungskonzept enthält nach Auffassung des Wissenschaftsrats zahlreiche überzeugende Elemente, um auf aktuelle Herausforderungen im Hochschulsystem zu reagieren“, so Professorin Martina Brockmeier, die scheidende Vorsitzende des Wissenschaftsrats. Vor allem die netzwerkartige Grundstruktur sei zukunftsweisend: Die interdisziplinären Aktivitätsfelder und die Departments führten weg von klassischen Lehrstuhlkonzepten hin zu flachen Hierarchien einer Departmentstruktur. „Das macht die TU Nürnberg insbesondere für internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler grundsätzlich attraktiv“, so Brockmeier, „gleichwohl wird die Berufung internationaler Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in der Gründungs- und Aufbauphase eine besondere Herausforderung sein.“
Insgesamt sieht der Wissenschaftsrat bei einigen Punkten noch Klärungsbedarf, da manche Ziele und Elemente des Gründungskonzepts noch nicht miteinander vereinbar erscheinen. Mit sieben Aktivitätsfeldern soll die TU Nürnberg sich fachlich breit aufstellen. „Das wird jedoch nur gelingen, wenn sie auch nach der Gründungs- und Aufbauphase weiterhin Professorinnen und Professoren einstellt und mehr Studienplätze schafft. Für diese Phase empfehlen wir daher zunächst eine Reduzierung der Aktivitätsfelder“, erklärt Martina Brockmeier weiter.
In den Aktivitätsfeldern sollen neben den Ingenieurwissenschaften und den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern auch die Geistes- und Sozialwissenschaften stark vertreten und mit ihnen interdisziplinär verbunden werden. Die Wirksamkeit aller interdisziplinären Konzepte in Forschung und Lehre wird nach Auffassung des Wissenschaftsrats allerdings davon abhängen, ob diese über das Nebeneinander verschiedener Disziplinen („Multidisziplinarität“) hinausgehen. Neben der Interdisziplinarität betont das Gründungskonzept für die TU Nürnberg deren internationalen Charakter – nicht nur beim Lehr- und Forschungspersonal, sondern auch bei den Studierenden. Diesbezüglich soll die Hochschule gemäß Gründungskonzept mittelfristig einen Anteil an Bildungsausländerinnen und -ausländern von 40 Prozent anstreben. Dazu passt ein Lehrangebot in überwiegend englischer Sprache. Dieses Angebot sollte, so der Wissenschaftsrat, durch die Pflege von Mehrsprachigkeit und des Deutschen als Fach- und Verkehrssprache ergänzt werden. Außerdem will die TU Nürnberg Bachelor- und Masterangebote fachlich zusammenhängend anbieten. „Das sehen wir positiv“, so Brockmeier, „weisen jedoch darauf hin, dass auch Bachelorstudiengänge zu einem ersten vollwertigen Hochschulabschluss führen müssen.“
Dass die Digitalisierung aller Leistungsdimensionen vorgesehen ist, wird als wichtig bewertet. Für die Umsetzung liegen bisher jedoch noch keine überzeugenden Überlegungen vor; diese sollten alsbald entwickelt werden.
Der Wissenschaftsrat empfiehlt der TU Nürnberg nachdrücklich, sich von Anfang an eng mit der regionalen Wissenschaftslandschaft zu vernetzen und mit deren zentralen Institutionen strategische Innovationspartnerschaften einzugehen. Er begrüßt daher, dass nicht nur für die Gründung der TU Nürnberg zusätzliche Haushaltsmittel in erheblichem Umfang zur Verfügung gestellt werden, sondern auch für die vorhandenen bayerischen Hochschulen. Auch künftig sollte das Land bei der Finanzierung darauf achten, dass die Neugründung nicht zu Lasten der anderen Landeshochschulen geht. Dies gilt insbesondere auch für die Metropolregion Nürnberg und die unmittelbar benachbarten Hochschulen. Sie sollten gezielt gestärkt werden, so dass von der Neugründung die Region als Ganze profitiert.